Einzelausstellung, Februar – April 2008, Kulturnetz Kassel e. V.
Michael Göbel (Jahrgang 1973) hat in Kassel Freie Kunst bei Professor
Lüthi und Visuelle Kommunikation bei den Professoren Ott und Stein studiert.
Seine
Arbeitsschwerpunkte sind Fotografie, Malerei, Zeichnung und Skulptur, die inhaltlich
stets vernetzt sind und auch formal häufig in Form von
Installationenen zueinander gestellt werden.
Der Titel der Ausstellung "Room with a View", also etwa "Zimmer
mit Aussicht", deutet das Thema schon an. Das englische Wort "view" hat
vielerlei Bedeutungen: Anblick, Ansicht, Aussicht, aber auch Absicht, Anschauung,
Auffassung oder Betrachtung, Blick, Vorstellung.
Gemeint ist also nicht nur
die Auseinandersetzung mit realen Räumen
und ihren formalen Aspekten, also der Blick auf etwas, sondern es geht in
Michael Göbels Arbeiten immer auch um Einblicke und Verortungen im Sinne
von Ansichten oder Standpunkten.
Michael Göbels Skulpturen, wie die hier ausgestellten Hochstände,
sind verkleinert nachgestellte, auf exakter Fotorecherche basierende Rekonstruktionen
realer Gegebenheiten. Jeder kennt diese eigenartigen Gebilde der Waldmöblierung,
die ihren Nutzern die Möglichkeit bieten unbeobachtet beobachten zu
können. Im englischen nennt man sie "Raised Hides", also
erhöhte Verstecke. Der Hochstand ist ein Raum, von dem aus man den Überblick über
einen bestimmten geografischen Bereich hat und der seine jeweiligen Nutzer
zugleich selbst schützt – eine Art Anonymität in einem öffentlichen
Raum.
Im Maßstab 1:6 verkleinert und gleichförmig rosa eingefärbt
erstarren nun diese Kleinskulpturen zur ironischen Karikatur ihrer ursprünglichen
Versprechungen, denn nun kann jeder Einblick nehmen - der Betrachter hat
den Überblick über das Geschehen. Und um genau diese Umkehrung
des Blickwinkels, um das Wechselspiel von Verstecken und Zeigen, von Intimität
und Öffentlichkeit geht es in Michael Göbels Arbeiten.
So auch in
Sauerland Pension, einem Ensemble aus zwei Kopfkissen, die auf einem hölzernen Bord ausgestellt sind. Was sonst nur in der Abgeschiedenheit
eines Hotelzimmers dem jeweiligen Mieter (und dem Zimmermädchen) zugänglich
ist, wird hier öffentlich gemacht, einschließlich der Gebrauchsspuren.
Dieser
Wechsel von Innen- und Außenansicht setzt sich auch in den
ausgestellten Zeichnungen fort, die zum einen öffentliche Räume,
wie etwa die Poollandschaft einer Hotelanlage, aber auch Innenräume,
also intime Interieurs zum Thema haben (in diesem Fall Schlafzimmer). Mit
hellgrauem Grafikmarker sind die Sujets in zarter Schraffur aufgetragen.
Nur aus der Fernsicht gibt sich das Dargestellte in seiner Gesamtheit zu
erkennen. Kommt man näher, lösen sich die Formen in der Schraffur
auf und werden transparent, fast durchsichtig.
Wie privat ist der öffentliche Raum? Wie viel Öffentlichkeit verträgt das Private? Welche Einblicke lassen wir zu und welche werden uns gewährt? Wie entstehen Ansichten und wie individuell sind sie? Um genau diese Fragen kreisen die Arbeiten von Michael Göbel.
impressum --- english version --- © m. goebel